25.08.2005

Übertragung der Rechtsaufsicht auf Landratsämter verfassungskonform

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Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat durch Beschluss vom 18. August 2005 festgestellt, dass die Sächsische Gemeindeordnung, soweit sie dem Landratsamt die Rechtsaufsicht über...

Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat durch Beschluss vom 18. August 2005 festgestellt, dass die Sächsische Gemeindeordnung, soweit sie dem Landratsamt die Rechtsaufsicht über kreisangehörige Gemeinden überträgt, mit der Sächsischen Verfassung vereinbar ist.

Ausgangspunkt des Verfahrens waren die Bürgermeisterwahlen in der Stadt Oberwiesenthal im Jahr 2002. Auf den Einspruch eines Wahlberechtigten hatte das Landratsamt Annaberg festgestellt, dass die Wiederwahl des Amtsinhabers ungültig sei, weil er unmittelbar vor der Wahl eine Bilanz seiner Wahlperiode im Amtsblatt veröffentlicht und hierdurch gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit der Parteien und Wählergruppen verstoßen habe. Hiergegen erhob der Wahlsieger Klage beim Verwaltungsgericht Chemnitz. Das Gericht setzte das Verfahren aus und wandte sich an den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen mit der Frage, ob die Sächsische Gemeindeordnung, welche das Landratsamt zur Rechtsaufsichtsbehörde über kreisangehörige Gemeinden bestimmt, verfassungswidrig sei. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts sei der Bescheid des Landratsamtes in der Sache zwar richtig, es habe aber die unzuständige Behörde entschieden. Da eine nichtstaatliche Verwaltungsbehörde wie das Landratsamt nach der Sächsischen Verfassung keine Rechtsaufsicht ausüben dürfe, sei die Sächsische Gemeindeordnung insoweit nichtig.

Dieser Auffassung ist der Verfassungsgerichtshof nicht gefolgt. Auch wenn Artikel 89 Absatz 1 der Sächsischen Verfassung verlange, dass der Freistaat die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu überwachen habe, sei nicht ausgeschlossen, dass diese öffentliche Aufgabe einer kommunalen Behörde wie dem Landratsamt übertragen werde. Voraussetzung sei lediglich, dass dem Freistaat hinreichend Einwirkungsmöglichkeiten vorbehalten seien. Er müsse, um seiner verfassungsrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden, die rechtsaufsichtlichen Entscheidungen der von ihm in Anspruch genommenen Behörden so beeinflussen können, dass die Gesetzmäßigkeit der beaufsichtigten Einrichtungen gewährleistet sei. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben sei der Gesetzgeber gerecht geworden, weil die Sächsische Gemeindeordnung den Behörden des Freistaates ein unbeschränktes Weisungsrecht und ergänzende Informationsrechte gegenüber dem Landratsamt einräume.


Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 18. August 2005 - Vf. 23-III-04 -

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