21.11.2008

Teilerfolg für Abgeordnete des Sächsischen Landtages im Streit um die Regelung zum Aufwendungsersatz für die Beschäftigung von Mitarbeitern

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Mit Urteil vom heutigen Tage stellte der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen fest, dass der Sächsische Landtag die Antragstellerin mit dem Beschluss zur Neufassung des Sächsischen...

Mit Urteil vom heutigen Tage stellte der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen fest, dass der Sächsische Landtag die Antragstellerin mit dem Beschluss zur Neufassung des Sächsischen Abgeordnetengesetzes dadurch in ihren Statusrechten als Abgeordnete verletzt hat, dass nach der Neuregelung jede in einem für Mitarbeiter vorzulegenden Führungszeugnis enthaltene Eintragung wegen der vorsätzlichen Begehung einer Straftat den Aufwendungsersatz für deren Beschäftigung ausschließt. Die darüber hinausgehenden Anträge, insbesondere soweit diese gegen den Landtagspräsidenten gerichtet waren, wurden hingegen abgelehnt.

Am 7. November 2007 beschloss der Landtag eine Änderung von § 6 Abs. 4 des Abgeordnetengesetzes (AbgG), wonach Abgeordneten ihre Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern nur dann ersetzt werden, wenn der Landtagsverwaltung ein Führungszeugnis des Mitarbeiters vorgelegt wird, das keine Eintragung wegen der vorsätzlichen Begehung einer Straftat enthält. Für einen der Mitarbeiter der Antragstellerin stellte die Landtagsverwaltung die Aufwendungsersatzzahlungen ein, da sich in dessen Führungszeugnis eine entsprechende Eintragung befand.
 
Die Antragstellerin begehrte festzustellen, dass der Landtag sie mit der Neufassung der Aufwendungsersatzregelung und der Landtagspräsident sie mit dem Vollzug dieser Neuregelung in ihren Abgeordnetenrechten verletzt habe.
 
Die Anträge hatten teilweise Erfolg. Im Hinblick auf den gegen den Landtag gerichteten Antrag stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass der Beschluss über die Neufassung von § 6 Abs. 4 AbgG die Antragstellerin in ihren verfassungsrechtlichen Statusrechten als Abgeordnete verletze. Art. 39 Abs. 3 Satz 2 SächsVerf enthalte einen allgemeinen Grundsatz der freien Mandatsausübung. Mit diesem sei eine Unterstützung durch Mitarbeiter nur vereinbar, wenn der Abgeordnete frei darüber befinden könne, ob und gegebenenfalls welcher Mitarbeiter er sich bediene. Beschränkungen dieser Freiheit seien nur zulässig, soweit sie dem Schutz berechtigter parlamentarischer Belange dienten und den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entsprächen.

Die Neufassung von § 6 Abs. 4 AbgG lasse sich mit diesen Grundsätzen nicht vereinbaren. Von der Ausschlussregelung gehe ein finanzieller Zwang aus, der die Freiheit der Abgeordneten bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter mindere. Zwar lägen der Neufassung legitime gesetzgeberische Ziele – nämlich die Sicherung des Parlamentsbetriebs und der Vertrauenswürdigkeit des Landtages – zugrunde; die Beschränkung des Entschädigungsanspruchs sei jedoch sachlich nicht geboten, soweit sie bei jedem Führungszeugniseintrag wegen vorsätzlicher Begehung einer Straftat den Aufwendungsersatz zwingend ausschließt. Dies sei zum Schutz der Integrität des Landtages sowie seiner Arbeitsfähigkeit weder erforderlich noch angemessen. Die Regelung erlaube nicht die gebotene einzelfallbezogene Würdigung des Gefährdungspotenzials und eine daran anknüpfende Abwägung mit der freien Mandatsausübung.

Demgegenüber liege ein Verfassungsverstoß nicht bereits darin, dass der Aufwendungsersatz überhaupt von der Vorlage eines Führungszeugnisses abhängig gemacht werde. Die Einsichtnahme in das Führungszeugnis sei Voraussetzung dafür, dass die Landtagsverwaltung prüfen könne, ob ein Mitarbeiter sich strafbar gemacht habe und angesichts der von ihm verübten Straftat für eine Tätigkeit im Rahmen des parlamentarischen Betriebes untragbar erscheine.

Die gegen den Landtagspräsidenten gerichteten Anträge verwarf der Verfassungsgerichtshof als unzulässig. Der Präsident werde beim Vollzug einfach-gesetzlicher Entschädigungsregelungen als Verwaltungsbehörde tätig. Er nehme keine ihm verfassungsrechtlich zugewiesenen Funktionen wahr, sodass der Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof im Organstreitverfahren nicht eröffnet sei.
 

SächsVerfGH, Urteil vom 21. November 2008 – Vf. 95-I-08 (HS)/Vf. 96-I-08 (e.A.)

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