21.02.2013

Staatsregierung hat Landtagsabgeordnete in deren parlamentarischem Fragerecht verletzt

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In insgesamt fünf Organstreitverfahren auf Antrag von Abgeordneten der NPD-Fraktion hatte der Verfassungsgerichtshof darüber zu entscheiden, ob die Staatsregierung die Kleinen Anfragen der...

In insgesamt fünf Organstreitverfahren auf Antrag von Abgeordneten der NPD-Fraktion hatte der Verfassungsgerichtshof darüber zu entscheiden, ob die Staatsregierung die Kleinen Anfragen der Antragsteller zu Recht nicht vollständig beantwortet hat. Mit Urteil vom heutigen Tag entschied der Verfassungsgerichthof, dass in allen Fällen die Auskunftsverweigerung der Staatsregierung nicht hinreichend begründet war und deshalb die Antragsteller in ihrem verfassungsrechtlich garantierten Frage- und Auskunftsrecht verletzt. In zwei Fällen hatte die Staatsregierung eine vollständige Beantwortung unter Hinweis auf laufende strafrechtliche Ermittlungen verweigert. In drei weiteren Fällen lehnte die Staatsregierung eine vollständige Beantwortung der Kleinen Anfragen jeweils unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bestimmungen bzw. das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ab.

Das verfassungsrechtlich gewährleistete Frage- und Informationsrecht des Abgeordneten verpflichtet die Staatsregierung grundsätzlich zu einer umfassenden Beantwortung. Sie kann die Beantwortung von Fragen u.a. dann ablehnen, wenn einer Beantwortung gesetzliche Regelungen, Rechte Dritter oder überwiegende Belange des Geheimschutzes entgegenstehen. Dabei muss die Staatsregierung dem Fragesteller innerhalb der Antwortfrist nachvollziehbar darlegen, aus welchen Gründen sie im Einzelnen meint, eine umfassende Beantwortung verweigern zu dürfen.

Auf zwei Kleine Anfragen zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit einer Demonstration am 13. Februar 2010 in Pirna und gegen eine mutmaßliche kriminelle Vereinigung hatte die Staatsregierung eine vollständige Auskunft verweigert, um den Erfolg laufender Ermittlungen nicht zu gefährden. Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshof gab sie damit aber schon nicht zu erkennen, aus welchem Grund sie eine weitergehende Antwort ablehnte, ob dies aus reinen Zweckmäßigkeitserwägungen erfolgte, im Hinblick auf überwiegende Geheimschutzbelange oder aufgrund einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung.

Drei Kleine Anfragen betrafen ein von der Staatsregierung aufgelegtes Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten bzw. das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“. Die Staatsregierung lehnte eine vollständige Beantwortung unter Hinweis auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. datenschutzrechtliche Bestimmungen mit im Ergebnis ebenfalls unzureichender Begründung ab. Aus den Antwortschreiben der Staatsregierung ergab sich  nicht, wessen Rechte die Staatsregierung schützen wollte – die der an den Programmen beteiligten Organisationen oder der daran mitwirkenden natürlichen Personen – und auf welchen Rechtsgrund sie sich hierbei im Einzelnen stützte. Auch fehlten nachvollziehbare Erläuterungen zur Abwägung zwischen dem verfassungsrechtlich verankerten parlamentarischen Fragerecht einerseits und dem möglicherweise betroffenen Grundrecht auf Datenschutz andererseits. Die erstmals im Organstreitverfahren vorgetragenen Gründe für das Unterbleiben einer vollständigen Beantwortung konnten diese Mängel nicht mehr heilen.

SächsVerfGH, Urteile vom 21. Februar 2013 – Vf. 34-I-12, Vf. 45-I-12, Vf. 46-I-12, Vf. 52-I-12, Vf. 53-I-12

Wortlaut des Art. 51 der Verfassung des Freistaates Sachsen

(1) Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen haben die Staatsregierung oder ihre Mitglieder im Landtag und in seinen Ausschüssen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Die gleiche Verpflichtung trifft die Beauftragten der Staatsregierung in den Ausschüssen.

(2) Die Staatsregierung kann die Beantwortung von Fragen ablehnen, wenn diese den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berühren oder einer Beantwortung gesetzliche Regelungen, Rechte Dritter oder überwiegende Belange des Geheimschutzes entgegenstehen.

(3) Das Nähere regelt die Geschäftsordnung des Landtages.

SächsVerfGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - Vf. 34-I-12

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