03.12.2010

Sitzungsausschluss des Landtagsabgeordneten Holger Apfel rechtmäßig

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Im Organstreitverfahren auf Antrag des Abgeordneten der NPD-Fraktion Holger Apfel entschied der Verfassungsgerichtshof mit Urteil vom heutigen Tage, dass der vom Präsidenten des Sächsischen...

Im Organstreitverfahren auf Antrag des Abgeordneten der NPD-Fraktion Holger Apfel entschied der Verfassungsgerichtshof mit Urteil vom heutigen Tage, dass der vom Präsidenten des Sächsischen Landtags im Einvernehmen mit dem Präsidiums des Landtags verfügte Ausschluss von zehn Sitzungen des Landtags verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
 
Zur Begründung führte der Verfassungsgerichtshof aus:
 
Maßstab für eine mögliche Verletzung von Rechten des Antragstellers könnten allein die sich aus Art. 39 Abs.3 SächsVerf ergebenden Statusrechte des Abgeordneten (sein Rede-, Antrags- und Stimmrecht) sein.
Diese Statusrechte des Abgeordneten würden durch andere Güter von Verfassungsrang begrenzt. Zu deren Wahrung sei dem Präsidenten bzw. dem Präsidium des Landtags das sich aus der Geschäftsordnung des Landtags ergebende Instrumentarium der Ordnungsmaßnahmen an die Hand gegeben. Dabei obliege es der Gestaltungsbefugnis des Landtags im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie zu entscheiden, welche Ordnungsmaßnahmen unter welchen Voraussetzungen eingesetzt werden könnten. §§ 96 und 97 der Geschäftsordnung, die die Erteilung eines Ordnungsrufes, eine Wortentziehung und den Ausschluss von Sitzungen regeln, begegneten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der erforderliche Ausgleich mit den widerstreitenden verfassungsrechtlichen Belangen, u.a. den Statusrechten des Abgeordneten, sei auf der Ebene des Einzelfalls herzustellen.
Bei der Anwendung der Ordnungsmaßnahmen komme dem Präsidenten – in den Fällen des § 97 Abs.2 GO gemeinsam mit dem Präsidium - ein durch den Verfassungsgerichtshof zu respektierender Beurteilungsspielraum zu. Die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte sei hieran auszurichten. Sie sei umso intensiver, je deutlicher die Ordnungsmaßnahme auf den Inhalt einer Äußerung und nicht auf das Verhalten des Abgeordneten reagiere. Eröffne die Geschäftsordnung eine Auswahl zwischen verschiedenen Ordnungsmaßnahmen, überprüfe der Verfassungsgerichtshof die insoweit notwendige Ermessensentscheidung allein darauf, ob sie vertretbar erscheine.
 
An diesen Grundsätzen gemessen, hatte der Antrag des Landtagsabgeordneten Holger Apfel keinen Erfolg. Die Einordnung seines dem Sitzungsausschluss zugrunde liegenden Verhaltens als besonders schwerer Fall einer Verletzung der parlamentarischen Ordnung sei weder verfahrensmäßig noch inhaltlich zu beanstanden.
Die Entscheidung des Landtagspräsidenten, dem Antragsteller wegen angenommener, in den Inhalten seiner Ausführungen liegender Ordnungsverstöße das Wort zu entziehen, sei nicht evident fehlerhaft und deshalb wirksam gewesen. Der Antragsteller sei deshalb – ungeachtet seines Rechts gegen diese Maßnahme Einspruch einzulegen – verpflichtet gewesen, seine Ausführungen unverzüglich zu beenden. Indem der Antragsteller dennoch weiter sprach und sich dem sodann verfügten Sitzungsausschluss widersetzte, habe er Ordnungsverstöße begangen. Die Einschätzung des Landtagspräsidenten im Einvernehmen mit dem Präsidium des Landtags, es habe sich dabei um besonders schwere Ordnungsverletzungen im Sinne des § 97 Abs.2 Satz 1 GO gehandelt, die einen Sitzungsausschluss für mehrere Sitzungstage rechtfertigten, halte sich im Rahmen des dem Präsidenten und dem Präsidium des Landtags zukommenden Beurteilungsspielraum. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller selbst wiederholten Aufforderungen des Antragsgegners, den Ordnungsmaßnahmen Folge zu leisten, nicht nachkam, sondern schließlich sogar von polizeilichen Ordnungskräften aus dem Sitzungssaal entfernt werden musste.


SächsVerfGH, Urteil vom 3. Dezember 2010 – Vf. 77-I-10

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