25.11.2005

Landtagswahl muss in einem Leipziger Wahlkreis teilweise wiederholt werden

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Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat durch Urteil vom heutigen Tag die Wahl zum 4. Sächsischen Landtag in Bezug auf den Wahlkreisabgeordneten im Wahlkreis 31 - Leipzig 7 für...

Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat durch Urteil vom heutigen Tag die Wahl zum 4. Sächsischen Landtag in Bezug auf den Wahlkreisabgeordneten im Wahlkreis 31 - Leipzig 7 für ungültig erklärt und festgestellt, dass der Abgeordnete Rolf Seidel (CDU) sein Mandat verloren hat. Im betroffenen Wahlkreis wird nunmehr eine Wiederholungswahl erforderlich, bei der die Wähler aufgerufen sind, ihre Erststimme erneut abzugeben. Zugleich erklärte der Verfassungsgerichtshof die Regelung des § 15 Nr. 3 Sächsisches Wahlgesetz, der von Wahlbewerbern eine schriftliche Erklärung darüber verlangt, dass ihnen die Voraussetzungen für eine Mandatsaberkennung nach Artikel 118 Abs. 1 Sächsische Verfassung bekannt sind, für nichtig (Vf. 45-V-05).

Dem Urteil liegt die Wahlprüfungsbeschwerde eines von der PDS als Direktkandidaten vorgesehenen Wahlbewerbers zugrunde. Der auf seinen Namen lautende Kreiswahlvorschlag war vom Kreiswahlausschuss zurückgewiesen worden, weil die Erklärung nach § 15 Nr. 3 Sächsisches Wahlgesetz nicht rechtzeitig vorgelegen habe. Nach den Landtagswahlen, bei welchen im Wahlkreis 31 der Direktkandidat der CDU die meisten Stimmen erhielt, erhob der Beschwerdeführer zunächst erfolglos Einspruch gegenüber dem Sächsischen Landtag und dann eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Nach seiner Auffassung sei es unverhältnismäßig, für die nicht rechtzeitige Abgabe einer deklaratorischen Erklärung den Ausschluss vom passiven Wahlrecht vorzusehen.

Der Verfassungsgerichtshof erklärte die Wahl des Direktbewerbers im Wahlkreis im Wahlkreis 31 - Leipzig 7 für ungültig. Zwar stünden die Entscheidungen von Kreiswahlausschuss und Sächsischen Landtag im Einklang mit der gesetzlichen Rechtslage; sie seien aber dennoch objektiv rechtswidrig, da sie sich auf § 15 Nr. 3 Sächsisches Wahlgesetz stützten, der mit der Sächsischen Verfassung unvereinbar sei. Weder dem Bundesrecht noch der Sächsischen Verfassung ließen sich eine Rechtfertigung für eine solche Einschränkung des passiven Wahlrechts entnehmen. Insbesondere sei ein Wahlbewerber nicht vor den Belastungen eines möglicherweise auf ihn zukommenden Verfahrens der Mandatsaberkennung zu schützen, weil er - demokratischer Tradition gemäß - selbst wissen und verantworten müsse, was auf ihn im Rahmen des Bewerbungsverfahrens und im Falle eines Erfolges seiner Kandidatur zukommen könne. Dies gelte um so mehr, als die Durchführung eines etwaigen Verfahrens nach Artikel 118 Sächsische Verfassung nicht davon abhänge, dass der Abgeordnete hiervon vor seiner Wahl nachweisbar wusste. Die Erklärung sei auch nicht geboten, um den Sächsischen Landtag vor - so ein früherer Gesetzentwurf - »schwerbelasteten Mandatsträgern« zu schützen oder vor Verfahren der Abgeordnetenanklage zu verschonen. Die Verfassung sehe Mandatsaberkennungen erst nach erfolgter Wahl - und dann nur infolge eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses des Sächsischen Landtages sowie einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes - vor.

Eine weitere Wahlprüfungsbeschwerde (Vf. 46-V-05) eines mit der selben Begründung nicht als Direktkandidat der PDS im Wahlkreis 28 - Leipzig 4 zugelassenen Bewerbers blieb erfolglos, weil dem Kreiswahlvorschlag keine von ihm unterzeichnete Erklärung beigefügt war, in der er seiner Aufstellung zustimmt und bekundet, für keinen anderen Wahlkreis seine Benennung als Bewerber gebilligt zu haben. Eine solche Erklärung sei nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes unverzichtbar, da sie verhindere, dass jemand gegen seinen Willen vorgeschlagen werde, und damit zugleich das verfassungsrechtliche Prinzip der Persönlichkeitswahl absichere.

Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteile vom 25. November 2005
- Vf. 45-V-05 und Vf. 46-V-05 -

§ 15 Sächsisches Wahlgesetz: Ausschluss von der Wählbarkeit.

Nicht wählbar ist,
(...)
3. wer nicht rechtzeitig (§ 19) vor der Wahl gegenüber dem Landeswahlleiter die folgende schriftliche Erklärung gibt:
»Gemäß Artikel 118 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen kann der Landtag beim Verfassungsgerichtshof ein Verfahren mit dem Ziel der Aberkennung des Mandats von Mitgliedern beantragen, die vor ihrer Wahl
a) gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben, insbesondere die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 gewährleisteten Menschenrechte oder die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 enthaltenen Grundrechte verletzt haben oder
b) für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit der DDR tätig
waren,
wenn deshalb die fortdauernde Innehabung des Mandats untragbar erscheint. Mir ist bekannt, dass mir das Mandat aberkannt werden kann, wenn diese Voraussetzungen auf mich zutreffen.«
Diese Erklärung ist zu unterschreiben und mit Ortsangabe und Datum zu versehen.

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