03.05.2019

Keine Wahlrechtsausschlüsse für Betreute in allen Angelegenheiten bei den Kommunalwahlen am 26. Mai 2019

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Die Regelungen in § 16 Abs. 2 Nr. 2 der Sächsischen Gemeindeordnung und in § 14 Abs. 2 Nr. 2 der Sächsischen Landkreisordnung, nach denen Bürger vom aktiven Wahlrecht bei den Kommunalwahlen...

Die Regelungen in § 16 Abs. 2 Nr. 2 der Sächsischen Gemeindeordnung und in § 14 Abs. 2 Nr. 2 der Sächsischen Landkreisordnung, nach denen Bürger vom aktiven Wahlrecht bei den Kommunalwahlen ausgeschlossen sind, wenn zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten dauerhaft ein Betreuer bestellt ist, erweisen sich nach vorläufiger Prüfung als verfassungswidrig. Sie sind deshalb bei Anträgen auf Berichtigung des Wählerverzeichnisses (§ 4 Abs. 3 Satz 1 des Kommunalwahlgesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Satz 1 der Kommunalwahlordnung) oder bei Anträgen auf Erteilung des Wahlscheins (§ 5 Abs. 1 Kommunalwahlgesetz in Verbindung mit § 11 der Kommunalwahlordnung) für die Kommunalwahlen am 26. Mai 2019 nicht anzuwenden. Das hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen mit Beschluss vom 3. Mai 2019 auf Antrag der Sächsischen Staatsregierung im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden.

Die Sächsische Staatsregierung begehrt die vorläufige Regelung, weil sie nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Januar 2019 (2 BvC 62/14) zum Bundeswahlgesetz sowie dessen Urteil vom 15. April 2019 (2 BvQ 22/19) zum Europawahlgesetz die entsprechenden Regelungen im sächsischen Kommunalwahlrecht für unvereinbar mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl auf kommunaler Ebene hält und angesichts der Kürze der bis zum Wahltermin zur Verfügung stehenden Zeit ein formelles Gesetzgebungsverfahren nicht mehr rechtzeitig zum Abschluss gebracht werden kann.

Der Verfassungsgerichtshof stellt in seiner Entscheidung vom heutigen Tag fest, dass die Wahlrechtsausschlüsse bei vorläufiger Prüfung mit Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1 Satz 1 SächsVerf unvereinbar sind. Sie schränken den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl unzulässig ein, weil sie nicht lediglich an die krankheits- oder behinderungsbedingte Unfähigkeit betroffener Personen anknüpfen, ihre Angelegenheiten zu besorgen, sondern an den äußeren Tatbestand der Bestellung eines Betreuers. Danach liegt eine Ungleichbehandlung gegenüber gleichermaßen eingeschränkten Personen, für die keine Betreuung angeordnet wurde, vor.

Insofern folgt der Verfassungsgerichtshof den vom Bundesverfassungsgericht zu Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG entwickelten Maßstäben.

Die einstweilige Anordnung beschränkt sich auf die Kommunalwahlen am 26. Mai 2019. Im Anschluss hieran obliegt es dem Gesetzgeber, das Kommunalwahlrecht neu zu regeln.

Entsprechende Anträge, die mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. April 2019 (2 BvQ 22/19) für die Wahlen zum Europaparlament gestellt worden sind oder noch gestellt werden, sind als Anträge auch auf Berichtigung des Wählerverzeichnisses oder auf Erteilung des Wahlscheins für die Kommunalwahlen zu werten, soweit dies in dem Antrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.

Für den betroffenen Personenkreis bedeutet dies, dass sie auf ihren Antrag in das Wählerverzeichnis für die am 26. Mai 2019 stattfindenden Kommunalwahlen aufzunehmen sind bzw. dass ihnen auf Antrag ein Wahlschein zu erteilen ist.

Die Wählerverzeichnisse können ab Montag, den 6. Mai 2019 eingesehen werden. Berichtigungsanträge können bis zum 10. Mai 2019 gestellt werden. Anträge auf Erteilung eines Wahlscheins sind unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Kommunalwahlgesetz in Verbindung mit § 11 Kommunalwahlordnung auch danach möglich.

SächsVerfGH, Beschluss vom 3. Mai 2019 – Vf. 30-II-19 (e.A.)

 

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