28.01.2016

Pressemitteilung

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Die Staatsregierung hat die Abgeordneten des Sächsischen Landtages André Schollbach, Kerstin Köditz und Juliane Nagel in ihren verfassungsrechtlich garantierten Frage- und Auskunftsrechten verletzt...

Die Staatsregierung hat die Abgeordneten des Sächsischen Landtages André Schollbach, Kerstin Köditz und Juliane Nagel in ihren verfassungsrechtlich garantierten Frage- und Auskunftsrechten verletzt, da sie deren Kleine Anfragen ohne ausreichende Begründung nicht vollständig beantwortet hat. Das hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen mit Urteilen vom 28. Januar 2016 entschieden.

a) Der Abgeordnete Schollbach wollte mit seiner Kleinen Anfrage (LT-Drs. 6/857) unter anderem in Erfahrung bringen, an welchem Ort das Treffen des Staatsministers des Inneren mit Vertretern von „Pegida“ am 26. Januar 2015 stattgefunden hat und welche Personen daran teilgenommen haben. In ihrer Antwort verwies die Staatsregierung unter anderem auf eine Pressemitteilung des Staatsministeriums des Inneren vom 26. Januar 2015 und gab den Link an, unter welchem diese im Internet abgerufen werden kann. Hinsichtlich des Ortes teilte sie mit, dass mit dem die Räumlichkeiten zur Verfügung stellenden privaten Dritten Stillschweigen vereinbart worden sei; einer Antwort stünden insoweit schützenswerte Rechte Dritter entgegen.

Der Verfassungsgerichtshof stellte in seinem Urteil fest, dass die Staatsregierung durch den Verweis auf die Internetveröffentlichung den Anspruch auf vollständige Antwort in formeller Hinsicht verletzt hat, da sie keine Vorkehrungen getroffen hat, dass die in Bezug genommene Internetquelle sowohl im Zeitpunkt des Zugangs der Antwort an den Fragesteller als auch in der Folgezeit für alle Abgeordneten und die Öffentlichkeit mit eben demjenigen Inhalt zur Verfügung steht, den die Staatsregierung bei Abfassung der Antwort in dieselbe einbeziehen wollte. Ferner sah der Verfassungsgerichtshof die Antwort auch in materieller Hinsicht als nicht vollständig an, da der genaue Ort des Treffens lediglich unter Verweis auf die Vereinbarung eines Stillschweigens nicht mitgeteilt worden war. Entgegenstehende Rechte Dritter könnten angesichts des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts und Antwortanspruchs nicht durch „freigiebige“ Zusicherung der Staatsregierung oder ihrer Mitglieder begründet werden.

b) Die Abgeordnete Köditz wollte mit ihren beiden Kleinen Anfragen (LT-Drs. 6/650 und 6/611) Auskunft über die Erkenntnisse der Staatsregierung zu den Strukturen der extremen Rechten und zu rechten Konzerten in Sachsen im Jahr 2014 erhalten. Die Staatsregierung lehnte eine inhaltliche Beantwortung unter Hinweis auf den zum Antwortzeitpunkt sich noch in Vorbereitung befindlichen Verfassungsschutzbericht 2014 ab; eine Vorwegnahme der Antwort sei ohne Gefährdung der sonstigen Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht möglich.

Der Verfassungsgerichtshof befand, dass die Staatsregierung durch den Verweis auf einen – zum Zeitpunkt der Antwort – noch nicht erschienenen Verfassungsschutzbericht und den nicht weiter unterlegten Hinweis auf eine Aufgabengefährdung des Landesamtes für Verfassungsschutz ihrer Antwortpflicht nicht Genüge getan hat. Die nicht weiter unterlegte Behauptung, die fristgerechte Beantwortung sei ohne eine Gefährdung der sonstigen Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht möglich, ist schon deswegen nicht ausreichend, weil die Antragstellerin mangels konkreter Anknüpfungspunkte die Tragfähigkeit der Behauptung nicht nachvollziehen und auf Plausibilität überprüfen kann. Konkrete Angaben wären im vorliegenden Fall aber umso erforderlicher gewesen, als die Staatsregierung in ihrer Antwort selbst ausgeführt hatte, das entsprechende Zahlen- und Datenmaterial werde derzeit durch das Landesamt für Verfassungsschutz nochmals geprüft und zusammengefasst. Wieso die entsprechenden Daten dennoch nicht innerhalb der Frist zur Beantwortung der Kleinen Anfrage aufbereitet werden konnten, erschließt sich aus den Ausführungen der Staatsregierung nicht.

c) Die Abgeordnete Nagel hatte in ihrer Kleinen Anfrage (LT-Drs. 6/1077) um Auskunft über die zwischen dem Freistaat Sachsen und den Betreibern der Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge vereinbarten Konditionen gebeten. Die Staatsregierung lehnte die Beantwortung ab und verwies dabei auf „vergaberechtliche Aspekte und Rechte Dritter“. Für die Veröffentlichung der vertraulichen Angaben seien Einverständniserklärungen der Betreiber erforderlich, die innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit jedoch nicht eingeholt werden könnten.

Der Verfassungsgerichtshof befand, dass diese Begründung die unterbliebene inhaltliche Beantwortung nicht rechtfertigen kann. Aus dem schlagwortartigen Hinweis ist nicht ersichtlich, auf welchen Rechtsgrund sich die Staatsregierung für die Nichtbeantwortung berufen will und woraus die behaupteten Rechte Dritter folgen sollen. Hinsichtlich des Verweises auf die fehlenden Einverständniserklärungen hätte die Staatsregierung zunächst konkret darlegen müssen, woraus sich aus ihrer Sicht ein Zustimmungserfordernis ergibt und weshalb eine Zustimmung verweigert wurde. Soweit sie behauptet, es sei im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich gewesen, die einzelnen Einverständniserklärungen einzuholen, mangelt es an jeglicher Darstellung der verwaltungsinternen Geschäftsabläufe.

SächsVerfGH, Urteile vom 28. Januar 2016 – Vf. 63-I-15, Vf. 67-I-15, Vf. 68-I-15, Vf. 81-I-15

 

SächsVerfGH, Urteil vom 28. Januar 2016 - Vf. 63-I-15
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