11.04.2018

Pressemitteilung

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Wahlprüfungsbeschwerde im „Fall Samtleben“: Verfassungsgerichtshof stellt Wahlfehler fest – es kommt aber nicht zu Neuwahlen

Wahlprüfungsbeschwerde im „Fall Samtleben“: Verfassungsgerichtshof stellt Wahlfehler fest – es kommt aber nicht zu  Neuwahlen

Die Streichung des Beschwerdeführers Arvid Samtleben von der Landesliste der Partei Alternative für Deutschland (AfD) vor der Landtagswahl zum 6. Sächsischen Landtag hätte durch den Landeswahlausschuss nicht berücksichtigt werden dürfen, weil der Streichung kein neuerlicher Parteitagsbeschluss vorausgegangen ist. Dieser Wahlfehler hatte zwar Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlamentes. Er wiegt aber nicht so schwer, dass der Fortbestand des gesamten Landtages unerträglich erscheint. Daher war die Landtagswahl nicht für ungültig zu erklären. Das hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen mit Urteil vom 11. April 2018 in einem Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren entschieden.

Der Beschwerdeführer ist Mitglied des sächsischen Landesverbandes der AfD. Durch einen Landesparteitag wurde er auf Platz 14 der Landesliste für die Wahlen zum 6. Sächsischen Landtag gewählt. Nach Einreichung der Landesliste bei der Landeswahlleitung beschloss der Parteivorstand der sächsischen AfD, den Beschwerdeführer von der Landesliste zu streichen. Diese Streichung erklärten die Vertrauenspersonen der AfD gegenüber der Landeswahlleiterin. Der Landeswahlausschuss ließ die Landesliste der AfD in ihrer so geänderten Fassung zu. Nach dem festgestellten Ergebnis der Landtagswahl zogen die Listenplatzkandidaten 1 bis 14 der geänderten Landesliste der AfD in den Sächsischen Landtag ein. Daraufhin reichte der Beschwerdeführer gegen die Gültigkeit der Landtagswahl Einspruch beim Landtag ein. Dieser wies den Wahleinspruch mit Beschluss vom 21. Juni 2017 zurück. Hiergegen richtet sich die vorliegende Wahlprüfungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof.

Der Verfassungsgerichtshof stellte in seinem Urteil fest, dass die Streichung des Kandidaten sowohl nach dem Sächsischen Wahlgesetz als auch nach dem Gebot der innerparteilichen Demokratie einen erneuten Parteitagsbeschluss vorausgesetzt hätte. Die Vertrauenspersonen sind weder demokratisch legitimiert noch nach dem Landeswahlgesetz ermächtigt, an dem Parteitag vorbei die Vorschlagsliste personell oder hinsichtlich der beschlossenen Reihung beliebig zu verändern. Dies hätte der Landeswahlausschuss berücksichtigen müssen und nur die ursprüngliche Liste zur Wahl zulassen dürfen. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes hat sich dieser Fehler auch auf die Zusammensetzung des Landtages ausgewirkt. Entscheidend ist hierfür nicht nur die reine Sitzverteilung auf die Fraktionen. Vielmehr sind auch die einzelnen Abgeordneten in den Blick zu nehmen, aus denen sich der Landtag zusammensetzt. Dennoch ist die Wahl nicht für ungültig zu erklären. Der Verfassungsgerichtshof weist in diesem Zusammenhang auf das Bestandsschutzinteresse des Landtages hin, das ebenfalls aus dem Demokratieprinzip folgt. Eine Ungültigerklärung kann nur die „ultima ratio“ sein und ist nur dann gerechtfertigt, wenn ein erheblicher Wahlfehler von solchem Gewicht vorliegt, dass der Fortbestand des Parlaments unerträglich erscheint. Dies ist nicht gegeben. Die Sitzverteilung im Landtag spiegelt das tatsächliche Wahlergebnis zutreffend wider. Auch wurden die auf der Liste nachgerückten Kandidaten ihrerseits auf dem Landesparteitag der AfD gewählt, weisen also als Kandidaten eine entsprechende demokratische Legitimation auf. Die rechtswidrige Streichung des Beschwerdeführers betrifft insoweit nicht die Struktur des gesamten parteiinternen Aufstellungsverfahrens. Darüber hinaus führte die Auflösung des Landtages wegen eines einzelnen demokratisch bemakelten Mandates dazu, dass die ihrerseits demokratisch legitimierten Mandate der übrigen Abgeordneten vorzeitig beendet werden müssten.

SächsVerfGH, Urteil vom 11. April 2018 – Vf. 108-V-17

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