26.06.2009

Abstrakte Normenkontrolle gegen Kreisgebietsneugliederung und Funktionalreform erfolglos

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Mit Urteil vom heutigen Tage stellte der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen fest, dass die von 31 Mitgliedern des 4. Sächsischen Landtages im Wege der abstrakten Normenkontrolle...

Mit Urteil vom heutigen Tage stellte der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen fest, dass die von 31 Mitgliedern des 4. Sächsischen Landtages im Wege der abstrakten Normenkontrolle angegriffenen Regelungen des Kreisgebietsneugliederungs- und des Verwaltungsneuordnungsgesetzes mit der Sächsischen Verfassung vereinbar sind.

Der Verfassungsgerichtshof hielt an seiner bereits zu kommunalen Normenkontrollen ergangenen Rechtsprechung fest, wonach sowohl die Auflösung und Neubildung der Landkreise als auch die Bestimmung des Sitzes des Landratsamtes für den Landkreis Leipzig in Borna mit den Vorgaben der Sächsischen Verfassung in Einklang stehen. Die Gebietsänderungen dienten dem Wohl der Allgemeinheit. Der Gesetzgeber habe mit dem Neuzuschnitt der Kreise legitime Ziele verfolgt, die ihre Basis in der Garantie kommunaler Selbstverwaltung hätten. Er habe sich mit alternativen Lösungen auseinandergesetzt und mit nachvollziehbarer Begründung die Beibehaltung der bestehenden Kreisgebiete, aber auch Kooperationsmodelle und die Bildung deutlich größerer Landkreise abgelehnt. Mit der Bestimmung des Sitzes der Kreisverwaltung für den Landkreis Leipzig in Borna habe er eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Konkretisierung des Gemeinwohlbegriffs vorgenommen. Der bei der Abwägung als entscheidend herangezogene Gesichtspunkt der Entwicklung des Südraums Leipzig als Bergbaufolgelandschaft sei ein sachgerechtes, an landesplanerische Zielset-zungen und dem Leitbild der zentralörtlichen Stabilität anknüpfendes Kriterium.
 
Auch die von den Antragstellern angegriffenen Regelungen des Verwaltungsneuordnungsgesetzes, die der Umsetzung der Funktionalreform dienten, seien mit der Sächsischen Verfassung vereinbar.

Für die Verteilung staatlicher Aufgaben zwischen Landesbehörden und Trägern kommunaler Selbstverwaltung gehe Art. 85 SächsVerf vom Prinzip der gestuften Aufgabenwahrnehmung aus. Ihre Erledigung solle den Trägern kommunaler Selbstverwaltung übertragen werden, wenn sie von diesen zuverlässig und zweckmäßig wahrgenommen werden könnten. Die Merkmale der Zuverlässigkeit und Zweckmäßigkeit enthielten dabei prognostische Elemente, mit denen ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers einhergehe. Der Verfassungsgerichtshof sei insoweit auf die Kontrolle beschränkt, ob der Gesetzgeber alle ihm mit vertretbarem Aufwand zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft, keine unvertretbaren tatsächlichen Annahmen zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe, sowie ob die Prognose auf methodischen Fehlern beruhe oder sonst eindeutig fehlerhaft erscheine.

Gemessen hieran begegneten die angegriffenen Regelungen des Verwaltungsneuordnungsgesetzes keinen Bedenken. Der Gesetzgeber habe den für seine Entscheidung relevanten Sachverhalt umfassend ermittelt. Die Gesetzesinitiative der Staatsregierung beruhe auf dem Gutachten eines pluralistisch zusammengesetzten Gremiums von Sachverständigen, das die einzelnen Behörden auf ihr bisheriges Aufgabenprofil und das bestehende Potenzial zur Aufgabenverlagerung und Personaleinsparung hin untersucht habe. Favorisiert habe das Gremium eine Aufgabenbündelung mit Kommunalisierungselementen, wie sie der Gesetzgeber nachfolgend auch umgesetzt habe. Defizite des Prognoseverfahrens oder des Ergebnisses der gesetzgeberischen Entscheidung seien nicht erkennbar.
 
Nach diesen Kriterien sei die Entscheidung für eine weitgehende Kommunalisierung der Umwelt- und Forstverwaltung nicht offensichtlich fehlerhaft. Im Bereich des Immissionsschutzes sowie der Abfallwirtschaft und des Bodenschutzes habe der Gesetzgeber darüber hinaus eine Regelungstechnik gewählt, die es dem zuständigen Fachministerium gestatte, bestimmte Aufgaben im Wege einer Rechtsverordnung von der Kreisebene wieder nach oben zu verlagern. Damit bestehe die Möglichkeit, auf im Verwaltungsvollzug sichtbar werdende De-fizite zeitnah zu reagieren. Auch habe sich der Landtag für den Erhalt der Landesdirektionen als Mittelbehörden entschieden und diese mit umfassenden Weisungsrechten gegenüber den Landkreisen und Kreisfreien Städten ausgestattet. Auf diesem Wege werde, etwa durch die Einbindung des Landesamtes für Umwelt und Geologie, die notwendige fachliche Hilfe beim Verwaltungsvollzug gewährleistet. Schließlich sei Personal der bisherigen Umweltfachbereiche der Regierungspräsidien auf die Kreisebene übergegangen. Zwar könne mit der Aufteilung dieses Personals ein Verlust an Spezialisierungstiefe einhergehen. Der Gesetzgeber habe aber mit der Gebietsneugliederung zugleich leistungsfähigere Kreise geschaffen, die über eine personalstarke Umweltverwaltung verfügten und damit neue Spezialisierungen zuließen. Für eine abweichende Einschätzung im Bereich der Forstverwaltung gebe es keinen Anlass. Der Gesetzgeber habe hier selbst die Zuständigkeiten abschließend zugeordnet und den Staatsbetrieb Sachsenforst als Mittelbehörde mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet.

SächsVerfGH, Urteil vom 26. Juni 2009 – Vf. 79-II-08
 
(vgl. zur Kreisgebietsneugliederung bereits: SächsVerfGH, Beschluss vom 22. April 2008 – Vf. 19-VIII-08 [HS]/Vf. 20-VIII-08 [e.A.]; SächsVerfGH, Beschluss vom 27. Juni 2008 – Vf. 78-VIII-08; SächsVerfGH, Beschluss vom 27. Juni 2008 – Vf. 67-VIII-08; SächsVerfGH, Urteil vom 25. September 2008 – Vf. 54-VIII-08)

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