Pressemitteilungen aus dem Jahr 2006
03.11.2006 - Abgeordnetenanklage gegen Prof. Dr. Porsch verfristet
Mit Beschluss vom gestrigen Tag hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen die auf Aberkennung des Mandats gerichtete Anklage gegen Prof. Dr. Peter Porsch verworfen.
Prof. Dr. Peter Porsch ist seit 1990 Abgeordneter des Sächsischen Landtages und seit 1994 Vorsitzender der PDS-Fraktion. Am 11. Mai 2006 beschloss der Landtag gegen ihn Abgeordnetenanklage mit dem Ziel der Aberkennung des Mandats zu erheben. Nach Überzeugung des Landtages habe er unter dem Decknamen „Christoph“ in den Jahren 1984/85 als inoffizieller Mitarbeiter wissentlich und willentlich mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR zusammengearbeitet, sodass sich der dringende Verdacht einer Tätigkeit nach Artikel 118 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung erhebe und die fortdauernde Innehabung seines Landtagsmandats deshalb als untragbar erscheine.
Der Verfassungsgerichtshof erachtete die Anklage als unzulässig, weil sie nicht gemäß § 38 Abs. 1 SächsVerfGHG binnen eines Jahres, nachdem der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt dem Landtag bekannt geworden war, erhoben worden sei. Aufgrund der in den Monaten August und September 2004 erfolgten Berichterstattung in den Medien über den gegen den Abgeordneten erhobenen Vorwurf einer inoffiziellen Mitarbeit bei dem Ministerium für Staatssicherheit seien den Parlamentsmitgliedern am Tag der Konstituierung des neu gewählten 4. Sächsischen Landtages, am 19. Oktober 2004, alle Fakten und Beweismittel bekannt gewesen, die nachfolgend zum Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens auf Aberkennung des Mandats gemacht worden seien. Die erst im Juni 2006 beim Verfassungsgerichtshof eingereichte Anklage habe die Frist daher nicht wahren können.
Da die Anklage unzulässig war, hatte der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob der Abgeordnete tatsächlich bewusst für das Ministerium für Staatssicherheit tätig war.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 2. November 2006 – Vf. 55-IX-06
03.11.2006 - NPD-Abgeordneter unterliegt im Organstreitverfahren zur Besetzung des Sachsen LB-Untersuchungsausschusses
Mit Beschluss vom gestrigen Tag hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen den Antrag des Mitglieds des Landtages Dr. Johannes Müller, mit dem sich dieser gegen einen auf sein Ausscheiden aus dem Sachsen LB-Untersuchungsausschuss gerichteten Landtagsbeschluss wendet, verworfen.
Der Antragsteller, Mitglied der NPD-Fraktion, war auf deren Vorschlag zum Mitglied des Untersuchungsausschusses gewählt worden. Nachdem sich die Zahl der Mitglieder der NPD-Fraktion von zwölf auf neun verringert hatte, beschloss der Sächsische Landtag in seiner Sitzung vom 19. Juli 2006, dass der Antragsteller und das weitere auf Vorschlag der NPD-Fraktion gewählte Mitglied aus dem Untersuchungsausschuss ausscheiden. Am 20. Juli 2006 wählte der Landtag neben einer Abgeordneten der CDU-Fraktion den Antragsteller erneut zum Mitglied des Untersuchungsausschusses. Der Antragsteller sah sich durch diese Verfahrensweise in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt und leitete am 2. August 2006 bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen ein Organstreitverfahren ein.
Der Verfassungsgerichtshof erachtete den Antrag für offensichtlich unbegründet. Dem Gebot formaler Chancengleichheit entsprechend sei der Sächsische Landtag berechtigt und – unter Berücksichtigung der verfassungsmäßigen Rechte aller Fraktionen – sogar verpflichtet gewesen, auch nach Bildung des Untersuchungsausschusses dafür Sorge zu tragen, dass dieser die Zusammensetzung des Plenums verkleinernd wiedergibt. Der hierdurch bedingte nachträgliche Austausch von Ausschussmitgliedern verstoße insbesondere nicht gegen jene Grundgedanken, die bei der Besetzung gerichtlicher Kollegien gelten. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse seien weder Gerichte noch nähmen ihre Mitglieder eine der richterlichen Tätigkeit vergleichbare Funktion wahr. Das Untersuchungsverfahren beschränke sich vielmehr darauf, mit hoheitlichen Mitteln selbstständig jene Sachverhalte zu prüfen, die der Landtag in Erfüllung seines Verfassungsauftrages als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig halte. Auch gegen das vom Landtag gewählte Verfahren sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden. Nachdem die vorschlagsberechtigte NPD-Fraktion nicht zu einer Mitwirkung bei der Niederlegung eines der beiden Ausschusssitze zu bewegen gewesen sei, durfte der Landtag einen geeigneten Weg wählen, um eine der Fraktionsstärken im Landtag entsprechende Spiegelbildlichkeit im Untersuchungsausschuss herzustellen.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 2. November 2006 – Vf. 72-I-06
19.10.2006 - Neues Informationsangebot des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes
Ab dem heutigen Tag hält der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen für rechtsuchende Bürger, Medienvertreter und sonstige Interessierte ein neues Informationsangebot bereit. Dieses beinhaltet neben einem neugestalteten Internetauftritt eine über den Verfassungsgerichtshof zu beziehende Informationsbroschüre mit wichtigen Hinweisen zum Verfassungsbeschwerdeverfahren.
Auf der Internetseite www.verfassungsgerichtshof.sachsen.de werden die allgemeinen Informationen über den Verfassungsgerichtshof nunmehr auch in sorbischer Sprache präsentiert. Der Verfassungsgerichtshof möchte so einen Beitrag dafür leisten, dass die im Land lebenden Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit gemäß Artikel 6 der Sächsischen Verfassung als gleichberechtigter Teil des Staatsvolkes wahrgenommen werden. Darüber hinaus hat sich der Verfassungsgerichtshof bei der Neugestaltung seiner Homepage an den Standards für ein sog. barrierefreies Internet orientiert. Dies bedeutet u.a., dass das Internetangebot jetzt auch Menschen mit Behinderungen (z.B. Sehschwäche) leichter zugänglich ist. Zudem werden nunmehr alle seit dem Jahr 2000 ergangenen Entscheidungen vollständig zur Verfügung gestellt; für den Zeitraum davor werden die Entscheidungen in ausgewähltem Umfang dokumentiert. Ferner wird über eine Suchfunktion eine fallorientierte Recherche anhand von Aktenzeichen, Entscheidungsdatum, Verfahrensart, Stichwort oder Norm in den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes eröffnet.
Erstmals ist beim Verfassungsgerichtshof auch eine Broschüre erhältlich, die über Stellung, Zusammensetzung und Aufgaben des höchsten Gerichtes des Freistaates Sachsen informiert. Außerdem enthält sie nützliche Hinweise zum Verfassungsbeschwerdeverfahren, die interessierten Personen eine erste Hilfestellung bei der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde geben sollen. Die Informationsbroschüre kann kostenlos bestellt werden beim Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Harkortstr. 9, 04107 Leipzig, Tel. 0341/2141-236 oder über die e-mail-Adresse geschaeftsstelle@verfg.justiz.sachsen.de.
28.09.2006 - Organstreitverfahren des verstorbenen NPD-Abgeordneten beendet
Mit Beschlüssen vom heutigen Tag hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen in den auf Antrag des kürzlich tödlich verunglückten Mitglieds des Sächsischen Landtages Uwe Leichsenring eingeleiteten Organstreitverfahren festgestellt, dass diese durch den Tod des Antragstellers beendet sind.
Der Antragsteller, Mitglied der NPD-Fraktion, hatte sich zum einen dagegen gewandt, dass er vom Präsidenten des Sächsischen Landtages aufgrund einer Äußerung während einer Plenardebatte für drei Sitzungstage ausgeschlossen worden war (Vf. 49-I-06). Gegenstand des weiteren, auf seinen Antrag hin eingeleiteten Organstreitverfahrens war die Besetzung des SachsenLB-Untersuchungsausschusses. Nachdem sich die Zahl der Mitglieder der NPD-Fraktion von zwölf auf neun verringert hatte, war vom Sächsischen Landtag in seiner Sitzung vom 19. Juli 2006 beschlossen worden, dass der Antragsteller und das weitere auf Vorschlag der NPD-Fraktion gewählte Mitglied Dr. Johannes Müller aus dem Untersuchungsausschuss ausscheiden. Hiergegen hatte er – wie der am nächsten Tag wiedergewählte Dr. Johannes Müller – am 2. August 2006 die Einleitung eines Organstreitverfahrens beantragt (Vf. 73-I-06 [eA] und Vf. 82-I-06).
Der Verfassungsgerichtshof erachtete die Verfahren infolge des Todes des Antragstellers als beendet und stellte dies – ohne weitere Begründung – durch entsprechende Beschlüsse fest. Eine Entscheidung in dem auf Antrag des Mitglieds des Landtages Dr. Johannes Müller eingeleiteten Verfahren steht noch aus (Vf. 72-I-06).
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschlüsse vom 28. September 2006 – Vf. 49-I-06; Vf. 73-I-06 und Vf. 82-I-06
04.07.2006 - Verfassungsbeschwerde gegen Durchsuchung im Leipziger Ordnungsamt erfolglos
Mit Beschluss vom 28. Juni 2006 hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen die Verfassungsbeschwerde des früheren Leiters des Ordnungsamtes Leipzig B. gegen einen Durchsuchungsbeschluss als unzulässig verworfen.
Im Frühjahr 2004 war bei der Staatsanwaltschaft Leipzig eine anonyme Anzeige eingegangen, in der einem der damaligen Bürgermeister der Stadt Leipzig vorgeworfen worden war, er habe ihn betreffende Verkehrsordnungswidrigkeiten durch das Ordnungsamt einstellen lassen. Als eine der Personen, die hiervon Kenntnis gehabt haben sollen, war der Beschwerdeführer benannt worden. In dem hieraufhin wegen Rechtsbeugung eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurde u.a. die Durchsuchung der Geschäftsräume der Zentralen Bußgeldstelle sowie des Dienstzimmers des Amtsleiters angeordnet und im September 2005 vollzogen. Der Beschwerdeführer sah sich durch den Durchsuchungsbeschluss u.a. in seinem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung verletzt, da ein Anfangsverdacht für eine Straftat bei ihm nicht vorgelegen habe.
Die Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg, da sie den Zulässigkeitsanforderungen nicht entsprach. Das Vorbringen des Beschwerdeführers habe nicht erkennen lassen, ob der durchsuchte Amtsraum der „räumlichen Privatsphäre“ und damit dem Schutzbereich der Wohnung zugerechnet werden könne. So sei weder vorgetragen, ob der Dienstraum von ihm allein genutzt worden sei noch ob er darin persönliche Gegenstände verwahrt habe.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 28. Juni 2006 – Vf. 5-IV-06
30.05.2006 - Verfassungsgerichtshof lässt NPD-Abgeordneten vorläufig zu Landtagssitzungen zu
Mit Beschluss vom heutigen Tag hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen den Präsidenten des Sächsischen Landtages verpflichtet, das Mitglied des Landtages Uwe Leichsenring zur Plenarsitzung am 21. Juni 2006 sowie zu den bis dahin stattfindenden Ausschusssitzungen zuzulassen.
Der Antragsteller, Mitglied der NPD-Fraktion, war am 11. Mai 2006 vom Präsidenten des Sächsischen Landtages aufgrund einer Äußerung während einer Plenardebatte für drei Sitzungstage und den in der dazwischenliegenden Zeit stattfindenden Ausschusssitzungen ausgeschlossen worden. Nachdem sein hiergegen erhobener Einspruch zurückgewiesen worden war, leitete er am 15. Mai 2006 beim Verfassungsgerichtshof ein Organstreitverfahren ein, da ihn der Sitzungsausschluss in seinen verfassungsmäßigen Rechten als Abgeordneter verletze. Neben dem Hauptsacheverfahren beantragte er einstweiligen Rechtsschutz, weil die nächsten Ausschusssitzungen bereits am 30. Mai 2006 und 19. Juni 2006 stattfänden und auch bis zur Plenarsitzung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zu erwarten sei.
Auf diesen Eilantrag erließ der Verfassungsgerichtshof die begehrte einstweilige Anordnung, um ansonsten drohende schwere Nachteile abzuwenden. Wäre die einstweilige Anordnung nicht ergangen und würde sich die Ordnungsmaßnahme später als rechtsfehlerhaft erweisen, wäre der Antragsteller zu Unrecht von den Sitzungen ausgeschlossen und unwiederbringlich an der Ausübung seiner Rechte gehindert worden. Demgegenüber wögen die Nachteile weniger schwer, die einträten, wenn dem – nicht von vornherein unzulässigen oder offensichtlich unbegründeten – Antrag nicht entsprochen worden wäre, sich der Sitzungsausschluss nachträglich jedoch als rechtmäßig herausstellen würde. Denn der Ausschluss für drei Sitzungstage, der für zwei Sitzungstage bereits vollzogen wurde, ließe sich auch noch zu einem späteren Zeitpunkt ver-wirklichen.
Der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes beschränkt sich damit auf eine reine Folgenabwägung. Aussagen zur Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme oder zum Erfolg des Hauptsacheverfahrens wurden nicht getroffen.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 30. Mai 2006 – Vf. 50-I-06
21.03.2006 - Leiter des Ordnungsamtes Leipzig scheitert mit Eilantrag
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat mit Beschluss vom heutigen Tag den Erlass einer vom Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Leipzig beantragten einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Der Antragsteller ist seit April 2003 als Beamter auf Probe Leiter des Ordnungsamtes. Im Februar diesen Jahres wurde für ihn eine Probezeitbeurteilung erstellt, die zu dem Ergebnis kommt, dass er für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ungeeignet sei. In der Folgezeit wurde wiederholt in der Presse über den Inhalt dieser Beurteilung berichtet. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrte er, die Stadt Leipzig zu verpflichten, die Probezeitbeurteilung zumindest vorläufig nicht zur Grundlage eines Entlassungsverfahrens zu machen und deren Inhalt nicht gegenüber der Öffentlichkeit und dem Stadtrat zu offenbaren.
Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes konnte eine solche einstweilige Anordnung nicht ergehen, da der Antragsteller zunächst den Verwaltungsrechtsweg hätte beschreiten müssen. Durch die Verweisung auf den Rechtsweg entstehe ihm auch kein schwerer und un-abwendbarer Nachteil. Selbst wenn die Stadt Leipzig den Antragsteller auf Grund der ungünstigen Beurteilung entließe, verbliebe ihm die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Entlassung gerichtlich nachprüfen zu lassen.
Beschluss vom 21. März 2006 - Vf. 25-IV-06