Pressemitteilungen aus dem Jahr 2005
25.11.2005 - Gemeinde Heuersdorf scheitert vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof
Mit Urteil vom heutigen Tag hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen den gegen das (zweite) Gesetz zur Inanspruchnahme der Gemeinde Heuersdorf für den Braunkohlentagebau und zur Eingliederung der Gemeinde Heuersdorf in die Stadt Regis-Breitingen gerichteten Antrag zurückgewiesen.
Die Gemeinde Heuersdorf hatte geltend gemacht, das Gesetz stehe - wie das im Jahr 2000 vom Verfassungsgerichtshof für nichtig erklärte (erste) Heuersdorfgesetz - nicht mit der Sächsischen Verfassung in Einklang. Neben Defiziten bei der Anhörung der Gemeinde sei dem Gesetzgeber vorzuwerfen, dass er für seine Prognose des Brennstoffbedarfs des Kraftwerkes Lippendorf nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Entscheidungsgrundlagen ausgeschöpft habe. Insbesondere hätte er sachverständig klären lassen müssen, ob eine enge Umfahrung der Antragstellerin zu einer Insolvenz der MIBRAG mbH führen würde und welche Laufzeit für das Kraftwerk Lippendorf erforderlich sei, damit sich dessen erhebliche Investitionen refinanzieren und sein Eigenkapital angemessen verzinst werde. Ohne Feststellung des tatsächlichen Nutzens sei es unverhältnismäßig, ihr Gemeindegebiet in Anspruch zu nehmen und den Wegzug ihrer Einwohner zu veranlassen.
Dieser Auffassung ist der Verfassungsgerichtshof nicht gefolgt. Die Gemeinde Heuersdorf sei zum Gesetzentwurf hinreichend durch die Staatsregierung angehört worden. Der zusätzlich in die Beschlussempfehlung aufgenommene Hinweis auf die erheblichen Mehrbelastungen der MIBRAG mbH bei einer Umfahrung von Heuersdorf habe kein erneutes Anhörungserfordernis ausgelöst, da er ersichtlich nur einer Vertiefung der bisherigen Argumentation gedient habe. Ausgehend von dem weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum des Gesetzgebers sei dieser ohne Verfassungsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, dass die Inanspruchnahme des Gemeindegebietes zum Zwecke des Bergbaus erforderlich sei. Da der Gesetzgeber nicht nur die Renditeerwartungen der beteiligten Unternehmen zu berücksichtigen hatte, sondern auch sicherstellen wollte, dass über einen Zeitraum von vierzig Jahren Energie aus Braunkohle erzeugt werde, habe kein Gutachten zur tatsächlichen Refinanzierung der Investitionen des Kraftwerkes Lippendorf oder der MIBRAG mbH eingeholt werden müssen. Gleiches gelte für die Frage, ob bei einer engen Umfahrung der Gemeinde Heuersdorf Kosten entstünden, die zur Insolvenz der MIBRAG mbH führen könnten, da dieser Aspekt bei der gesetzgeberischen Abwägung von untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Maßgeblich sei vielmehr gewesen, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass über den Zeitraum von vierzig Jahren zu angemessenen Preisen Strom angeboten werden könne.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteil vom 25. November 2005
- Vf. 119-VIII-04 -
25.11.2005 - Verfassungsgerichtliche Überprüfung der Wahlen zum 4. Sächsischen Landtag abgeschlossen
Mit Entscheidungen vom heutigen Tag hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen weitere drei Wahlprüfungsbeschwerden, mit welchen die Ungültigkeit der Wahlen zum 4. Sächsischen Landtag geltend gemacht wurden, zurückgewiesen. Damit sind alle beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Wahlprüfungsverfahren abgeschlossen.
Die von Frau Barbara Lässig erhobene Wahlprüfungsbeschwerde (Vf. 67-V-05), über welche der Verfassungsgerichtshof gestern mündlich verhandelt hat, richtete sich gegen die Aufstellung der Landesliste der PDS (nunmehr: Die Linkspartei.PDS). Diese erfolgte am 8. und 9. Mai 2005 auf der Landesvertreterversammlung der PDS. Nach der dort angewandten Wahlordnung war den Vertretern ein »Gemeinsamer Listenvorschlag« von Landesvorstand und Landesrat der PDS vorgelegt worden, der Namen und Reihenfolge der für die ersten 40 Plätze der Landesliste vorgesehenen Bewerber enthielt. Gegenkandidaten - wie die Beschwerdeführerin - benötigten 15 Unterstützungsunterschriften und konnten sich erst vorstellen, nachdem der »Gemeinsame Listenvorschlag« im Grundsatz gebilligt worden war. Bei den späteren sog. Änderungsabstimmungen erhielt keiner der Gegenkandidaten die für eine Aufnahme in den »Gemeinsamen Listenvorschlag« notwendige Mehrheit. Der Beschwerdeführerin wurde nach einer sog. Ergänzungsabstimmung der Listenplatz 41 zugewiesen, sodass sie bei der Wahl - die PDS errang 31 Sitze im Sächsischen Landtag - erfolglos blieb. Hieraufhin legte sie erfolglos Einspruch beim Sächsischen Landtag ein und wandte sich anschließend mit der Rüge der Verletzung allgemeiner Wahlrechtsgrundsätze, die auch für die Aufstellung der Kandidaten durch die Parteien gelten, an den Verfassungsgerichtshof.
Auch dieser sah im Zusammenhang mit der Aufstellung der PDS-Landesliste keine Gründe für die Ungültigkeit der Wahlen zum 4. Sächsischen Landtag. Insbesondere sei nicht gegen die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl verstoßen wurden. Es sei von Verfassungs wegen nichts dagegen einzuwenden, wenn das Verfahren zur Aufstellung einer Bewerberliste durch einen Listenvorschlag vorstrukturiert werde, sofern nur im weiteren Abstimmungsverfahren von diesem ganz oder teilweise abgewichen werden kann und alle Bewerber um einen Listenplatz eine angemessen gleiche Chance haben, sich der Wahlentscheidung der Vertreterversammlung zu stellen und auf einen Listenplatz gewählt zu werden. Diesen Vorgaben sei Rechnung getragen worden. Die Differenzierung zwischen den Kandidaten, die von Führungsgremien der PDS empfohlen, und solchen, die aus der Mitte der Vertreterversammlung vorgeschlagen wurden, sei sachlich gerechtfertigt, um das Aufstellungsverfahren effektiv durchführen und eine ausgewogene und erfolgversprechende Kandidatenliste erreichen zu können.
Zwei weitere Wahlprüfungsbeschwerden (Vf. 60-IV-05) richteten sich gegen die Wahl des CDU-Direktkandidaten im Wahlkreis 37 - Riesa-Großenhain, Wolfram Köhler. Dieser war im Jahr 2003 in Riesa wohnhaft. Mitte Januar 2004 nahm er eine berufliche Tätigkeit in Hannover auf und bereitete für den 30. Januar 2004 seinen Umzug vor. Kurz zuvor entschloss sich Wolfram Köhler zu einer Kandidatur für den Wahlkreis Riesa-Großenhain und wurde am Abend des 30. Januar 2004 als Direktkandidat aufgestellt. Gleichwohl entschloss er sich, den bereits eingeleiteten Umzug zunächst durchzuführen; der Transport der Möbel fand am 31. Januar 2004 statt. Bereits am Tag darauf kehrte Wolfram Köhler nach Riesa zurück und bemühte sich um eine neue Wohnung, die er am 9. Februar 2004 bezog. Bei den Wahlen zum 4. Sächsischen Landtag erhielt Wolfram Köhler die meisten Stimmen in seinem Wahlkreis und wurde zum Abgeordneten des 4. Sächsischen Landtags gewählt. Nachfolgend verzichtete er auf sein Mandat, sein Sitz wurde an die Abgeordnete Christine Clauß vergeben. Nach Ansicht der Beschwerdeführer war die Wahl im Wahlkreis 37 ungültig. Wolfram Köhler habe kein passives Wahlrecht zugestanden, weil er in den zwölf Monaten vor der Wahl nicht ununterbrochen im Wahlgebiet wohnhaft gewesen sei.
Dieser Auffassung ist der Verfassungsgerichtshof - ebenso wie der Sächsische Landtag im Wahlprüfungsverfahren - nicht gefolgt und hat die Wahlprüfungsbeschwerden durch Beschluss zurückgewiesen. Wolfram Köhler sei gemäß § 14 Sächsisches Wahlgesetz wählbar gewesen. Die nur neuntätige Ortsabwesenheit sei nicht geeignet, Wolfram Köhler das Wahlrecht abzusprechen, weil er im Jahr vor der Wahl ansonsten durchgängig im Freistaat Sachsen wohnhaft gewesen sei und sich bereits vor Aufgabe seiner bisherigen Riesaer Wohnung entschlossen habe, eine solche so schnell wie möglich wieder im Freistaat Sachsen zu nehmen. Nur diese Sichtweise werde auch dem Zweck des § 14 Sächsisches Wahlgesetz gerecht, der sicherstellen solle, dass sich der Wahlbewerber mit dem Freistaat Sachsen und den mit der Wahl zum Sächsischen Landtag verbundenen Aufgaben als sächsischer Abgeordnete identifiziere sowie aus eigener Anschauung heraus Kenntnis von den spezifischen Gegebenheiten im Freistaat Sachsen besitze.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteil vom 25. November 2005 - Vf. 67-V-05 - und Beschluss vom 25. November 2005 - Vf. 60-V-05 -
25.11.2005 - Landtagswahl muss in einem Leipziger Wahlkreis teilweise wiederholt werden
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat durch Urteil vom heutigen Tag die Wahl zum 4. Sächsischen Landtag in Bezug auf den Wahlkreisabgeordneten im Wahlkreis 31 - Leipzig 7 für ungültig erklärt und festgestellt, dass der Abgeordnete Rolf Seidel (CDU) sein Mandat verloren hat. Im betroffenen Wahlkreis wird nunmehr eine Wiederholungswahl erforderlich, bei der die Wähler aufgerufen sind, ihre Erststimme erneut abzugeben. Zugleich erklärte der Verfassungsgerichtshof die Regelung des § 15 Nr. 3 Sächsisches Wahlgesetz, der von Wahlbewerbern eine schriftliche Erklärung darüber verlangt, dass ihnen die Voraussetzungen für eine Mandatsaberkennung nach Artikel 118 Abs. 1 Sächsische Verfassung bekannt sind, für nichtig (Vf. 45-V-05).
Dem Urteil liegt die Wahlprüfungsbeschwerde eines von der PDS als Direktkandidaten vorgesehenen Wahlbewerbers zugrunde. Der auf seinen Namen lautende Kreiswahlvorschlag war vom Kreiswahlausschuss zurückgewiesen worden, weil die Erklärung nach § 15 Nr. 3 Sächsisches Wahlgesetz nicht rechtzeitig vorgelegen habe. Nach den Landtagswahlen, bei welchen im Wahlkreis 31 der Direktkandidat der CDU die meisten Stimmen erhielt, erhob der Beschwerdeführer zunächst erfolglos Einspruch gegenüber dem Sächsischen Landtag und dann eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Nach seiner Auffassung sei es unverhältnismäßig, für die nicht rechtzeitige Abgabe einer deklaratorischen Erklärung den Ausschluss vom passiven Wahlrecht vorzusehen.
Der Verfassungsgerichtshof erklärte die Wahl des Direktbewerbers im Wahlkreis im Wahlkreis 31 - Leipzig 7 für ungültig. Zwar stünden die Entscheidungen von Kreiswahlausschuss und Sächsischen Landtag im Einklang mit der gesetzlichen Rechtslage; sie seien aber dennoch objektiv rechtswidrig, da sie sich auf § 15 Nr. 3 Sächsisches Wahlgesetz stützten, der mit der Sächsischen Verfassung unvereinbar sei. Weder dem Bundesrecht noch der Sächsischen Verfassung ließen sich eine Rechtfertigung für eine solche Einschränkung des passiven Wahlrechts entnehmen. Insbesondere sei ein Wahlbewerber nicht vor den Belastungen eines möglicherweise auf ihn zukommenden Verfahrens der Mandatsaberkennung zu schützen, weil er - demokratischer Tradition gemäß - selbst wissen und verantworten müsse, was auf ihn im Rahmen des Bewerbungsverfahrens und im Falle eines Erfolges seiner Kandidatur zukommen könne. Dies gelte um so mehr, als die Durchführung eines etwaigen Verfahrens nach Artikel 118 Sächsische Verfassung nicht davon abhänge, dass der Abgeordnete hiervon vor seiner Wahl nachweisbar wusste. Die Erklärung sei auch nicht geboten, um den Sächsischen Landtag vor - so ein früherer Gesetzentwurf - »schwerbelasteten Mandatsträgern« zu schützen oder vor Verfahren der Abgeordnetenanklage zu verschonen. Die Verfassung sehe Mandatsaberkennungen erst nach erfolgter Wahl - und dann nur infolge eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses des Sächsischen Landtages sowie einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes - vor.
Eine weitere Wahlprüfungsbeschwerde (Vf. 46-V-05) eines mit der selben Begründung nicht als Direktkandidat der PDS im Wahlkreis 28 - Leipzig 4 zugelassenen Bewerbers blieb erfolglos, weil dem Kreiswahlvorschlag keine von ihm unterzeichnete Erklärung beigefügt war, in der er seiner Aufstellung zustimmt und bekundet, für keinen anderen Wahlkreis seine Benennung als Bewerber gebilligt zu haben. Eine solche Erklärung sei nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes unverzichtbar, da sie verhindere, dass jemand gegen seinen Willen vorgeschlagen werde, und damit zugleich das verfassungsrechtliche Prinzip der Persönlichkeitswahl absichere.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteile vom 25. November 2005
- Vf. 45-V-05 und Vf. 46-V-05 -
§ 15 Sächsisches Wahlgesetz: Ausschluss von der Wählbarkeit.
Nicht wählbar ist,
(...)
3. wer nicht rechtzeitig (§ 19) vor der Wahl gegenüber dem Landeswahlleiter die folgende schriftliche Erklärung gibt:
»Gemäß Artikel 118 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen kann der Landtag beim Verfassungsgerichtshof ein Verfahren mit dem Ziel der Aberkennung des Mandats von Mitgliedern beantragen, die vor ihrer Wahl
a) gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben, insbesondere die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 gewährleisteten Menschenrechte oder die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 enthaltenen Grundrechte verletzt haben oder
b) für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit der DDR tätig
waren,
wenn deshalb die fortdauernde Innehabung des Mandats untragbar erscheint. Mir ist bekannt, dass mir das Mandat aberkannt werden kann, wenn diese Voraussetzungen auf mich zutreffen.«
Diese Erklärung ist zu unterschreiben und mit Ortsangabe und Datum zu versehen.
24.11.2005 - Terminmitteilung: Urteilsverkündung in Verfahren über Wahlprüfungsbeschwerde am 25. November
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat heute im Verfahren über die Wahlprüfungsbeschwerde von Frau Barbara Lässig, in dem sie Rechtsverstöße bei der Aufstellung der Landesliste der PDS (nunmehr: Die Linkspartei.PDS) rügt und hieraus die Ungültigkeit der gesamten Wahlen zum 4. Sächsischen Landtag ableitet, mündlich verhandelt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt auf:
Freitag, den 25. November 2005, 14.30 Uhr,
Saal 115, Harkortstraße 9, Leipzig.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen - Vf. 67-V-05 -
24.11.2005 - Terminmitteilung: Entscheidung im Heuersdorf-Verfahren wird am 25. November verkündet
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat heute im Verfahren der Normenkontrolle auf kommunalen Antrag der Gemeinde Heuersdorf mündlich verhandelt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt auf:
Freitag, den 25. November 2005, 15.00 Uhr,
Saal 115, Harkortstraße 9, Leipzig.
07.11.2005 - Terminmitteilung: Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Aufstellung der PDS-Landesliste für Landtagswahl wird am 24. November verhandelt
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat in einem Verfahren, in dem die Beschwerdeführerin Rechtsverstöße bei der Aufstellung der Landesliste der PDS (nunmehr: Die Linkspartei.PDS) rügt und hieraus die Ungültigkeit der gesamten Wahlen zum 4. Sächsischen Landtag ableitet, Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf:
Donnerstag, den 24. November 2005, 15.00 Uhr,
Saal 115, Harkortstraße 9, Leipzig.
Die Bewerber der Landesliste wurden auf der Landesvertreterversammlung der PDS am 8. und 9. Mai 2004 gewählt. Nach der dort angewandten Wahlordnung war den Vertretern ein »Gemeinsamer Listenvorschlag« von Landesvorstand und Landesrat der PDS vorgelegt worden, der Namen und Reihenfolge der für die ersten 40 Plätze der Landesliste vorgesehenen Bewerber enthielt. Gegenkandidaten - wie die Beschwerdeführerin - benötigten 15 Unterstützungsunterschriften und konnten sich erst vorstellen, nachdem der »Gemeinsame Listenvorschlag« im Grundsatz gebilligt worden war. Bei den späteren sog. Änderungsabstimmungen, die teilweise erst gegen Mitternacht stattfanden, erhielt keiner der Gegenkandidaten die für eine Aufnahme in den »Gemeinsamen Listenvorschlag« notwendige Mehrheit. Der Beschwerdeführerin wurde nach einer sog. Ergänzungsabstimmung der Listenplatz 41 zugewiesen, sodass sie bei der Landtagswahl - die PDS errang über ihre Landesliste ohne weitere Direktmandate 31 Sitze im Sächsischen Landtag - erfolglos blieb. Hierauf legte sie erfolglos Einspruch beim Sächsischen Landtag ein und wandte sich anschließend mit der Rüge der Verletzung allgemeiner Wahlrechtsgrundsätze an den Verfassungsgerichtshof.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen - Vf. 67-V-05
07.11.2005 - Terminmitteilung
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat am 27. Oktober 2005 in zwei Verfahren über Wahlprüfungsbeschwerden mündlich verhandelt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt auf:
Freitag, den 25. November 2005, 14.00 Uhr,
Saal 115, Harkortstraße 9, Leipzig.
Die Beschwerdeführer waren von der PDS als Direktkandidaten für die Wahlkreise 28 - Leipzig 4 und 31 - Leipzig 7 vorgesehen. Die entsprechenden Kreiswahlvorschläge wurden jedoch vom Kreiswahlausschuss zurückgewiesen, weil die Erklärung nach § 15 Nr. 3 SächsWahlG nicht rechtzeitig vorgelegt worden war. Nach den Wahlen zum 4. Sächsischen Landtag, bei welchen im Wahlkreis 28 der Direktkandidat der SPD und im Wahlkreis 31 der Direktkandidat der CDU die meisten Stimmen erhielten, erhoben die Beschwerdeführer Einspruch gegenüber dem Sächsischen Landtag, der mit Beschluss vom 21. April 2005 zurückgewiesen wurde. Mit Ihrer Wahlprüfungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Ungültigkeit der Direktkandidatenwahl in den Wahlkreisen 28 und 31. Sie hätten die Erklärung fristgemäß dem Landesvorstand der PDS übermittelt, dieser habe jedoch eine rechtzeitige Weitergabe versäumt. Darüber hinaus sei es unverhältnismäßig, für die nicht rechtzeitige Abgabe einer deklaratorischen Erklärung, den Ausschluss vom passiven Wahlrecht vorzusehen. Jedenfalls hätte der Kreiswahlleiter auf den Mangel des Kreiswahlvorschlages hinweisen müssen.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen - Vf. 45-V-05 und Vf. 46-V-05
§ 15 SächsWahlG Ausschluss von der Wählbarkeit.
Nicht wählbar ist,
(...)
3. wer nicht rechtzeitig (§ 19) vor der Wahl gegenüber dem Landeswahlleiter die folgende schriftliche Erklärung gibt:
»Gemäß Artikel 118 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen kann der Landtag beim Verfassungsgerichtshof ein Verfahren mit dem Ziel der Aberkennung des Mandats von Mitgliedern beantragen, die vor ihrer Wahl
a) gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben, insbesondere die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 gewährleisteten Menschenrechte oder die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 enthaltenen Grundrechte verletzt haben oder
b) für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit der DDR tätig waren,
wenn deshalb die fortdauernde Innehabung des Mandats untragbar erscheint. Mir ist bekannt, dass mir das Mandat aberkannt werden kann, wenn diese Voraussetzungen auf mich zutreffen.«
Diese Erklärung ist zu unterschreiben und mit Ortsangabe und Datum zu versehen.
28.10.2005 - Antrag der NPD-fraktion gegen Schülerkalender des Sächsischen Landtages verworfen
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2005 hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen einen im Wege des Organstreitverfahrens geltend gemachten Antrag der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag und drei ihrer Mitglieder verworfen, mit welchem dem Sächsischen Landtag untersagt werden sollte, zwei Plakate zu verbreiten, die im Schülerkalender 2005/2006 des Sächsischen Landtages abgebildet sind.
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2005 hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen einen im Wege des Organstreitverfahrens geltend gemachten Antrag der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag und drei ihrer Mitglieder verworfen, mit welchem dem Sächsischen Landtag untersagt werden sollte, zwei Plakate zu verbreiten, die im Schülerkalender 2005/2006 des Sächsischen Landtages abgebildet sind.
Die beiden Plakate wurden - ebenso wie die anderen im Schülerkalender veröffentlichten Plakate - im Rahmen eines jährlich vom Sächsischen Landtag veranstalteten Schülerwettbewerbs gefertigt. Die Antragsteller fühlen sich durch die Darstellungen auf den beanstandeten Plakaten in ihren Rechten, insbesondere aus Art. 39 und 40 Sächsische Verfassung verletzt. Nach ihrer Auffassung haben der Sächsische Landtag und sein Präsident durch die Herausgabe des Schülerkalenders 2005/2006 mit den betreffenden Plakaten gegen die Pflicht zur Unparteilichkeit und Sachlichkeit sowie das Gebot der politischen Zurückhaltung verstoßen.
Der Verfassungsgerichtshof hat den Antrag als unzulässig erachtet, da die zwischen den Beteiligten in Streit stehenden Rechte und Pflichten sich nicht aus einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis ergäben. Die Veröffentlichung der Plakate betreffe die Antragsteller nicht in ihren Verfassungsrechten aus Art. 39 Abs. 3 Sächsische Verfassung oder in speziellen Oppositionsrechten, da der in den Plakaten enthaltene Schriftzug »NPD« keinen spezifischen Bezug zur organschaftlichen Funktion der antragstellenden Abgeordneten oder zur NPD-Fraktion als Teile des 4. Sächsischen Landtags aufweise.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen - Vf. 76-I-05 (HS) und Vf. 77-I-05 (eA)
25.08.2005 - Übertragung der Rechtsaufsicht auf Landratsämter verfassungskonform
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat durch Beschluss vom 18. August 2005 festgestellt, dass die Sächsische Gemeindeordnung, soweit sie dem Landratsamt die Rechtsaufsicht über kreisangehörige Gemeinden überträgt, mit der Sächsischen Verfassung vereinbar ist.
Ausgangspunkt des Verfahrens waren die Bürgermeisterwahlen in der Stadt Oberwiesenthal im Jahr 2002. Auf den Einspruch eines Wahlberechtigten hatte das Landratsamt Annaberg festgestellt, dass die Wiederwahl des Amtsinhabers ungültig sei, weil er unmittelbar vor der Wahl eine Bilanz seiner Wahlperiode im Amtsblatt veröffentlicht und hierdurch gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit der Parteien und Wählergruppen verstoßen habe. Hiergegen erhob der Wahlsieger Klage beim Verwaltungsgericht Chemnitz. Das Gericht setzte das Verfahren aus und wandte sich an den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen mit der Frage, ob die Sächsische Gemeindeordnung, welche das Landratsamt zur Rechtsaufsichtsbehörde über kreisangehörige Gemeinden bestimmt, verfassungswidrig sei. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts sei der Bescheid des Landratsamtes in der Sache zwar richtig, es habe aber die unzuständige Behörde entschieden. Da eine nichtstaatliche Verwaltungsbehörde wie das Landratsamt nach der Sächsischen Verfassung keine Rechtsaufsicht ausüben dürfe, sei die Sächsische Gemeindeordnung insoweit nichtig.
Dieser Auffassung ist der Verfassungsgerichtshof nicht gefolgt. Auch wenn Artikel 89 Absatz 1 der Sächsischen Verfassung verlange, dass der Freistaat die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu überwachen habe, sei nicht ausgeschlossen, dass diese öffentliche Aufgabe einer kommunalen Behörde wie dem Landratsamt übertragen werde. Voraussetzung sei lediglich, dass dem Freistaat hinreichend Einwirkungsmöglichkeiten vorbehalten seien. Er müsse, um seiner verfassungsrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden, die rechtsaufsichtlichen Entscheidungen der von ihm in Anspruch genommenen Behörden so beeinflussen können, dass die Gesetzmäßigkeit der beaufsichtigten Einrichtungen gewährleistet sei. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben sei der Gesetzgeber gerecht geworden, weil die Sächsische Gemeindeordnung den Behörden des Freistaates ein unbeschränktes Weisungsrecht und ergänzende Informationsrechte gegenüber dem Landratsamt einräume.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 18. August 2005 - Vf. 23-III-04 -
02.08.2005 - Terminmitteilung: Heuersdorf-Verfahren wird im November mündlich verhandelt
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat in Verfahren der Normenkontrolle auf kommunalen Antrag der Gemeinde Heuersdorf Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf:
Donnerstag, den 24. November 2005, 11.00 Uhr,
Saal 115, Harkortstraße 9, Leipzig.
Die im Landkreis Leipziger Land gelegene Antragstellerin wendet sich gegen das Gesetz zur Inanspruchnahme der Gemeinde Heuersdorf für den Braunkohlentagebau und zur Eingliederung der Gemeinde Heuersdorf in die Stadt Regis-Breitingen vom 28. Mai 2004.
Bereits mit Gesetz vom 8. April 1998 hatte der Sächsische Landtag beschlossen, dass die Antragstellerin zum Zwecke der Rohstoff- und Energieversorgung in Anspruch genommen werden kann. Hiergegen hatte sich die Antragstellerin erfolgreich an den Verfassungsgerichtshof gewandt. Mit Urteil vom 14. Juli 2000 erklärte er das Gesetz für nichtig, weil es weder den Anforderungen von Art. 88 Abs. 1 und 2 SächsVerf an die Anhörung einer Gemeinde noch den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Prognose des zukünftigen Strombedarfs genüge.
Nach Auffassung der Antragstellerin stehe auch das Heuersdorfgesetz 2004 nicht mit der Sächsischen Verfassung in Einklang. Neben neuerlichen Anhörungsdefiziten sei dem Gesetzgeber vorzuwerfen, dass er für seine Prognose des Brennstoffbedarfs des Kraftwerkes Lippendorf nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Entscheidungsgrundlagen ausgeschöpft habe. Insbesondere hätte er sachverständig klären lassen müssen, ob eine enge Umfahrung der Antragstellerin tatsächlich zu einer Insolvenz der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH führen würde und welche Laufzeit für das Kraftwerk Lippendorf erforderlich sei, damit sich dessen erhebliche Investitionen refinanzieren und sein Eigenkapital angemessen verzinst werde. Ohne Feststellung des tatsächlichen Nutzens sei es unverhältnismäßig, ihr Gemeindegebiet in Anspruch zu nehmen und ihre 142 Einwohner zum Wegzug zu veranlassen
01.08.2005 - Terminmitteilung
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat in zwei Verfahren über Wahlprüfungsbeschwerden Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf:
Donnerstag, den 27. Oktober 2005, 11.00 Uhr,
Saal 115, Harkortstraße 9, Leipzig.
Die Beschwerdeführer waren von der PDS als Direktkandidaten für die Wahlkreise 28 - Leipzig 4 und 31 - Leipzig 7 vorgesehen. Die entsprechenden Kreiswahlvorschläge wurden jedoch vom Kreiswahlausschuss zurückgewiesen, weil die Erklärung nach § 15 Nr. 3 Sächs-WahlG nicht rechtzeitig vorgelegt worden war. Nach den Wahlen zum 4. Sächsischen Landtag, bei welchen im Wahlkreis 28 der Direktkandidat der SPD und im Wahlkreis 31 der Direktkandidat der CDU die meisten Stimmen erhielten, erhoben die Beschwerdeführer Einspruch gegenüber dem Sächsischen Landtag, der mit Beschluss vom 21. April 2005 zurückgewiesen wurde.
Mit Ihrer Wahlprüfungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Ungültigkeit der Direkt-kandidatenwahl in den Wahlkreisen 28 und 31. Sie hätten die Erklärung fristgemäß dem Lan-desvorstand der PDS übermittelt, dieser habe jedoch eine rechtzeitige Weitergabe versäumt. Darüber hinaus sei es unverhältnismäßig, für die nicht rechtzeitige Abgabe einer deklaratorischen Erklärung, den Ausschluss vom passiven Wahlrecht vorzusehen. Jedenfalls hätte der Kreiswahlleiter auf den Mangel des Kreiswahlvorschlages hinweisen müssen.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen - Vf. 45-V-05 und Vf. 46-V-05
§ 15 SächsWahlG Ausschluss von der Wählbarkeit.
Nicht wählbar ist,
(...)
3. wer nicht rechtzeitig (§ 19) vor der Wahl gegenüber dem Landeswahlleiter die folgende schriftliche Erklärung gibt:
»Gemäß Artikel 118 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen kann der Landtag beim Verfassungsgerichtshof ein Verfahren mit dem Ziel der Aberkennung des Mandats von Mitgliedern beantragen, die vor ihrer Wahl
a) gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben, insbesondere die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 gewährleisteten Menschenrechte oder die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 enthaltenen Grundrechte verletzt haben oder
b) für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit der DDR tätig waren,
wenn deshalb die fortdauernde Innehabung des Mandats untragbar erscheint.
Mir ist bekannt, dass mir das Mandat aberkannt werden kann, wenn diese Voraussetzungen auf mich zutreffen.«
Diese Erklärung ist zu unterschreiben und mit Ortsangabe und Datum zu versehen.
21.07.2005 - Sächsisches Verfassungsschutzgesetz teilweise verfassungswidrig
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat durch Urteil vom heutigem Tag einzelne Bestimmungen des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes (SächsVSG), welche die Beobachtung von Tätigkeiten und Bestrebungen der Organisierten Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz regeln, für verfassungswidrig erklärt und einschränkende Vorgaben für die Anwendung des Gesetzes aufgestellt.
Das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle war von 30 Abgeordneten des 3. Sächsischen Landtages eingeleitet worden. Diese machten geltend, dass die zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität mit Gesetz vom 20. April 2004 in das Sächsische Verfassungsschutzgesetz eingefügten Regelungen nicht im Einklang mit der Sächsischen Verfassung stünden und deshalb nichtig seien. Der Antrag richtete sich insbesondere gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SächsVSG, wo-nach das Landesamt für Verfassungsschutz für die Zusammenarbeit mit dem Bund oder den anderen Ländern in Angelegenheiten des Schutzes vor Organisierter Kriminalität zuständig ist. Außerdem vertraten die Antragsteller die Auffassung, dass ein sog. »Großer Lauschangriff«, d. h. der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur optischen und akustischen Wohnraumüberwachung, bei der Beobachtung Organisierter Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz und die Übermittlung der hierbei gewonnenen Daten an Polizei- und Strafverfolgungsbehörden verfassungswidrig seien.
Der Antrag hatte weitgehend Erfolg. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes sind die Zuständigkeitsbestimmung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SächsVSG - und darüber hinaus der nicht angegriffene § 2 Abs. 1 Nr. 5 SächsVSG, der die Sammlung von Informationen über Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität als eine Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz definiert, verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Verfassungsschutz im Bereich der Bekämpfung Organisierter Kriminalität nur dann zum Handeln befugt sei, wenn dies zugleich dem Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung diene. Soweit es allein um klassische Aufgaben von Polizei und Staatsanwaltschaft, d.h. Gefahrenabwehr und Strafverfolgung, gehe, verbiete Art. 83 Abs. 3 Satz 1 Sächsische Verfassung ein Tätigwerden des Landesamtes für Verfassungsschutz. Diese Sichtweise stehe im Einklang mit dem Willen des Verfassungsgebers, der nach den historischen Erfahrungen mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR Polizei und Geheimdienst soweit wie möglich voneinander abgrenzen wollte.
Für unvereinbar mit der Sächsischen Verfassung hat der Verfassungsgerichtshof § 5 Abs. 4 Nr. 2 SächsVSG erklärt. Die Vorschrift, die den Großen Lauschangriff zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität regelt, verstoße gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung in Verbindung mit der Menschenwürde, weil Voraussetzungen und Schranken von akustischen und optischen Wohnraumüberwachungsmaßnahmen nicht hinreichend bestimmt seien. Es sei nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung unangetastet bleiben müsse und gegebenenfalls begonnene - die Intimsphäre beeinträchtigende - Abhörmaßnahmen zu beenden sowie insoweit gewonnene Aufzeichnungen zu vernichten seien.
Gleichermaßen für verfassungswidrig erachtete der Verfassungsgerichtshof zwei Vorschriften, welche die Übermittlung der personenbezogenen Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz an Polizei- und Strafverfolgungsbehörden betreffen.
§ 5 Abs. 7 SächsVSG verstoße gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, weil es die Weiterleitung von Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz gestatte, die von Polizei und Staatsanwaltschaft selbst von Verfassungs wegen nicht hätten erhoben werden dürfen. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 sei die Staatsanwaltschaft nur bei Verdacht von Straftaten zu Abhörmaßnahmen berechtigt, die in § 100c Abs. 1 Nr. 3 Strafprozessordnung genannt sind und für die eine Höchststrafe von mehr als fünf Jahren vorgesehen ist. Die angegriffene Vorschrift nehme demgegenüber aber Bezug auf Straftaten mit geringerer Strafandrohung. Entsprechendes gelte für die Datenübermittlung zum Zwecke der Gefahrenabwehr. Die angesprochenen - zum Teil nur mittelschweren - Straftaten könnten keine Gefahr im Sinne von Art. 30 Abs. 3 Sächsische Verfassung begründen. § 12 Abs. 2 SächsVSG stehe nicht im Einklang mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, weil er für vom Landesamt für Verfassungsschutz erhobene Daten keine ausreichende Kennzeichnung der Herkunft der Daten vorschreibe. Nach Art. 33 Satz 3 Sächsische Verfassung müssten Voraussetzungen und Umfang, aber auch der Zweck von Erhebung, Übermittlung und Verwendung personenbezogener Daten gesetzlich verankert sein. Diesem Gebot der Zweckbindung könne nur entsprochen werden, wenn auch nach der Erfassung aufgrund einer entsprechenden Kennzeichnung erkennbar bleibe, mittels welcher Maßnahme sie erhoben worden sind und ob Verwendungsbeschränkungen bestehen.
Der Verfassungsgerichtshof hat für eine Übergangszeit bis zum bis 30. Juni 2006 die Fortgeltung der verfassungswidrigen Vorschriften mit entsprechenden Modifizierungen ihres Anwendungsbereichs angeordnet. Für die Zeit danach muss der Gesetzgeber die Frage eines »Großen Lauschangriffes« zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und der Datenübermittlung an Polizei und Staatsanwaltschaft neu klären.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteil vom 21. Juli 2005 - Vf. 67-II-04
Art. 30 Sächsische Verfassung
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) ...
(3) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im Übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutz gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.
Art. 33 Sächsische Verfassung
Jeder Mensch hat das Recht, über die Erhebung, Verwendung und Weitergabe seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen. Sie dürfen ohne freiwillige und ausdrückliche Zustimmung der berechtigten Person nicht erhoben, gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden. In diese Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Art. 83 Abs. 3 Satz 1 Sächsische Verfassung
Der Freistaat unterhält keinen Geheimdienst mit polizeilichen Befugnissen.
17.06.2005 - Terminmitteilung
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat in dem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle auf Antrag von 30 Abgeordneten des 3. Sächsischen Landtages betreffend das Sächsische Verfassungsschutzgesetz i.d.F. vom 20. April 2004 Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt auf:
Donnerstag, den 21. Juli 2005, 10.00 Uhr,
Saal 115, Harkortstraße 9, Leipzig.
Das Verfahren betrifft vor allem die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes, welche die Beobachtung von Tätigkeiten und Bestrebungen der Organisierten Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz regeln. In diesem Zusammenhang wird am Maßstab der Sächsischen Verfassung u.a. zu klären sein, ob ein sog. »Großer Lauschangriff« bei der Beobachtung Organisierter Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz zulässig ist und inwieweit hierbei gewonnene Daten an Polizei- und Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden dürfen.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen - Vf. 67-II-04
23.05.2005 - Terminmitteilung
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat in dem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle auf Antrag von 30 Abgeordneten des 3. Sächsischen Landtages betreffend das Sächsische Verfassungsschutzgesetz i.d.F. vom 20. April 2004 neuen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf:
Freitag, den 17. Juni 2005, 11.00 Uhr,
Saal 115, Harkortstraße 9, Leipzig.
Das Verfahren betrifft vor allem die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes, welche die Beobachtung von Tätigkeiten und Bestrebungen der Organisierten Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz regeln. In diesem Zusammenhang wird am Maßstab der Sächsischen Verfassung u.a. zu klären sein, ob ein sog. »Großer Lauschangriff« bei der Beobachtung Organisierter Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz zulässig ist und inwieweit hierbei gewonnene Daten an Polizei- und Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden dürfen.
20.05.2005 - Normenkontrollanträge von neun Städten gegen Sächsische Gemeindeordnung erfolglos
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat durch Urteil vom 20. Mai 2005 in dem gegen Bestimmungen des Gemeindewirtschaftsrechts und des kommunalen Prüfungswesens gerichteten Verfahren die Normenkontrollanträge von neun Städten abgelehnt.
Gegenstand des Verfahrens waren am 1. April 2003 in Kraft getretene Änderungen der Sächsischen Gemeindeordnung. Die Antragstellerinnen sahen ihr kommunales Selbstverwaltungsrecht u.a. dadurch verletzt, dass sie in Gesellschaftsverträge ihrer Unternehmen in privater Rechtsform Klauseln aufnehmen sollen, die insbesondere den überörtlichen Prüfungsbehörden weitergehende Rechte bei der Prüfung des Verhaltens der Gemeinde als Gesellschafter einräumen. Schließlich haben sich einige Antragstellerinnen gegen die Verpflichtung zur Errichtung eines örtlichen Rechnungsprüfungsamtes sowie den nunmehr gesetzlich verankerten Nachrang der Aktiengesellschaft bei der Beteiligung an einem privatrechtlichen Unternehmen gewandt.
Die Anträge blieben insgesamt erfolglos. Zur Begründung hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass dem Sächsische Landtag die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass der angegriffenen Regelungen zukomme, weil diese weder das Gesellschaftsrecht noch die Grundsätze des Haushaltsrechts betreffen würden, sondern allein dem Kommunalrecht zuzuordnen seien. Auch verletzten sie nicht das Selbstverwaltungsrecht der Antragstellerinnen, da in erster Linie nur deren Organisationshoheit berührt sei. Insoweit sei der Gesetzgeber durch Art. 82 Abs. 2 SächsVerf lediglich verpflichtet, den Gemeinden bei der Wahrnehmung der einzelnen Aufga-benbereiche einen hinreichenden organisatorischen Spielraum offen zu halten. Vor diesem Hintergrund vermochte der Verfassungsgerichtshof keinen Verfassungsverstoß zu erkennen, da die Gemeinden allein bei der Aufgabenwahrnehmung durch privat-rechtliche Unternehmen Einschränkungen hinnehmen müssten, die wesentlichen Organisationsbefugnisse bei der Aufgabenerfüllung ihnen jedoch erhalten blieben.
Eine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts durch den in § 95 Abs. 2 Sächs-GemO angeordneten Nachrang der Aktiengesellschaft hat der Verfassungsgerichtshof bereits nicht als hinreichend dargetan erachtet. Da Aktiengesellschaften nur dann nicht errichtet werden dürfen, wenn der öffentliche Zweck des Unternehmens ebenso gut oder besser in einer anderen Rechtsform erfüllt werden kann, hätte vorgetragen werden müssen, dass diese Voraussetzungen in Bezug auf eine geplante Aktiengesellschaft vorliegen. Nur dann wäre die Antragstellerin durch die angegriffene Vorschrift betroffen gewesen.
Schließlich sah der Verfassungsgerichtshof auch im Zusammenhang mit der Verpflichtung der Gemeinden zur Einrichtung eines Rechnungsprüfungsamtes keinen Verfassungsverstoß. Für diese Verpflichtung müsse kein finanzieller Ausgleich geschaffen werden, da den Gemeinden keine Aufgaben übertragen würden. Die rein verwaltungsorganisatorische Regelung habe lediglich mittelbaren Einfluss auf die Aufgabenerledigung, indem sie Gewichtung und Qualität der Aufgabenerfüllung lenke.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteil vom 20. Mai 2005 - Vf. 34-VIII-04 -
18.05.2005 - Terminmitteilung
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat den im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle betreffend das Sächsische Verfassungsschutzgesetz auf den 20. Mai 2005 bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Hintergrund der für den 19. Mai 2005 vorgesehenen Verfassungsrichterwahlen aufgehoben.
29.04.2005 - Terminmitteilung
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat in dem Verfahren der Normenkontrolle auf kommunalen Antrag von neun Städten wegen der Verletzung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts durch Regelungen des Gemeindewirtschaftsrecht und des kommunalen Prüfungswesens in der Sächsischen Gemeindeordnung Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt auf:
Freitag, den 20. Mai 2005, 10.00 Uhr
Saal 115, Harkortstraße 9, Leipzig.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen - Vf. 34-VIII-04 -
08.04.2005 - Terminmitteilung
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat in dem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle auf Antrag von 30 Abgeordneten des 3. Sächsischen Landtages betreffend das Sächsische Verfassungsschutzgesetz i.d.F. vom 20. April 2004 Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf:
Freitag, den 20. Mai 2005, 11.00 Uhr,
Saal 115, Harkortstraße 9, Leipzig.
Das Verfahren betrifft vor allem die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes, welche die Beobachtung von Tätigkeiten und Bestrebungen der Organisierten Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz regeln. In diesem Zusammenhang wird am Maßstab der Sächsischen Verfassung u.a. zu klären sein, ob ein sog. »Großer Lauschangriff« bei der Beobachtung Organisierter Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz zulässig ist und inwieweit hierbei gewonnene Daten an Polizei- und Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden dürfen.
01.04.2005 - Terminmitteilung
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat in dem Verfahren der Normenkontrolle auf kommunalen Antrag von neun Städten wegen der Verletzung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts durch - am 1. April 2003 in Kraft getretene - Regelungen der Sächsischen Gemeindeordnung Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf:
Donnerstag, den 28. April 2005, 11.00 Uhr
Saal 115, Harkortstraße 9, Leipzig.
Das Verfahren betrifft die Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des Gemeindewirtschaftsrechts und des kommunalen Prüfungswesens. Die Antragstellerinnen wenden sich u.a. dagegen, dass in die Gesellschaftsverträge von kommunalen Unternehmen in privater Rechtsform Klauseln aufgenommen werden sollen, die insbesondere den überörtlichen Prüfungsbehörden weitergehende Rechte bei der Prüfung des Verhaltens der Gemeinde als Gesellschafter einräumen. Darüber hinaus wenden sich einige Antragstellerinnen gegen die Verpflichtung zur Errichtung eines örtlichen Rechnungsprüfungsamtes sowie den in § 95 Abs. 2 SächsGemO bestimmten Nachrang der Aktiengesellschaft bei der Beteiligung an einem privatrechtlichen Unternehmen.